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Diskussion um ErbschaftssteuerVermögen zu besteuern ist jetzt Sache der Union

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

In der CDU ist eine Debatte um die Erbschaftssteuer aufgekeimt. Die SPD sollte deshalb nicht zu viel Druck ausüben – es wäre kontraproduktiv.

Von der Linkspartei lernen, heißt siegen lernen: Die Parteivorsitzenden mit deutlicher Botschaft beim Bundesparteitag im Mai in Chemnitz Foto: Chris Emil Janßen/imago

V on der Linkspartei lernen, heißt zurzeit siegen lernen. Als sich die SPD-Linken in der vergangenen Woche zum Sommerfest trafen, verschenkten sie Mützen mit „Tax The Rich“-Logo an die eigenen Führungskräfte. Und auch Finanzminister und Parteichef Lars Klingbeil wird nicht müde zu betonen, dass jetzt wirklich „alle“ ihren Beitrag leisten müssten.

Das Bedürfnis nach ein bisschen Klassenkampf und einer sozialdemokratischen Erzählung in der Koalition mit einer auf wirtschaftsliberal gedrehten Merz-CDU ist groß.

Dennoch ist es gerade beim Thema Steuergerechtigkeit ratsam, die Union nicht zu stark zu triezen. Nicht weil es hier nichts zu tun gäbe. Die Vermögensungleichheit ist mittlerweile so groß und die Finanzierungsnöte der Koalition so drängend, dass die Diskussion über eine gerechtere Besteuerung von sehr, sehr hohen Erbschaften und Vermögen auch in der CDU angekommen ist.

Der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, nannte die Vermögensverteilung in Deutschland kürzlich ein Problem. Und die Mehrheit der eigenen Wäh­le­r:in­nen findet schon lange, dass Millionäre mehr Steuern zahlen sollten.

Erben ist ohne Besteuerung leistungsfeindlich

Nur noch einige bratwurstaffine CSU-Politiker wiederholen faktenfrei, eine höhere Besteuerung von Milliardenvermögen sei „leistungsfeindlich“. Das Gegenteil ist der Fall: Wer sehr viel erbt, muss nichts dafür leisten, nicht einmal Steuern zahlen.

Eine Anfrage der Linkspartei – schon wieder die! – hat gerade gezeigt: In den vergangenen zehn Jahren wurden 463 Vermögen im Wert von über 100 Millionen Euro vererbt und verschenkt. Diese summierten sich auf 158 Milliarden Euro.

In mehr als der Hälfte der Fälle zahlten die zumeist Beschenkten keinen Cent Steuern. Denn wer seinen Reichtum in Stiftungen, Unternehmensaktien oder Immobilien versteckt, kann sich systematisch arm rechnen. Und reich wird heutzutage vor allem, wer erbt, die wenigsten Vermögen werden noch erarbeitet.

Es gehört zur Ironie bundesdeutscher Geschichte, dass Reformen gegen die Interessen der eigenen Wählerklientel immer von der Partei angestoßen wurden, die diese Interessen jahrelang vertreten hat.

Nur die CDU kann diese Steuer einführen

Ein SPD-Arbeitsminister führte die Rente mit 67 ein, ein grüner Außenminister deutsche Bodentruppen erstmals wieder in einen Kriegseinsatz, und folgerichtig müsste nun ein CDU-Kanzler dafür sorgen, dass zumindest die Ausnahmen für Multimillionenvermögen abgeschafft werden. Zu viel Druck von außen könnte die aufkeimenden Diskussionen in der CDU aber wieder in Geschlossenheit ersticken.

Die SPD kann auf ihre Konzepte zur Erbschaft- und Vermögensteuer verweisen. Doch sollte sie sich in dieser Koalition vor allem darauf konzentrieren, die Interessen der Beschäftigten zu schützen und den Sozialstaat gegen Privatisierungs- und Abbaufantasien zu verteidigen.

Auf schlechte Deals à la Kassenpatienten zahlen Zahnbehandlungen, damit Milliardenerben ein kleines bisschen mehr beisteuern, sollte sie sich tunlichst nicht einlassen. Das wäre ihr Untergang.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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10 Kommentare

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  • "Tax the Rich"



    Ist euch die deutsche Sprache nicht mehr gut genug, dass ihr die Aussage (ihr würdet sicher Slogan dazu sagen) unbedingt in englischer Sprache bringen müsst?

    "Nur die CDU kann diese Steuer einführen"



    Wird sie aber ganz, ganz sicher nicht tun.



    Also alles nur eine Augenwischerei-Aktion der Linken.

  • "Der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, nannte die Vermögensverteilung in Deutschland kürzlich ein Problem."

    Da muss man, wie immer, genauer hinhören. Er sagte im Interview, dass er möchte, dass die unteren Einkommen auch auf dem Aktienmarkt investieren sollen. Das ist in etwa so schwachsinnig, wie das Wohnraumprogramm der fDP, dass man unteren Einkommen anriet, Wohnungen zu kaufen und Häuser zu bauen.

    Ich denke, wer die Aussage Spahns für sehr sehr untypisch für ihn und die cdU hielt, der hat nach wie vor Recht. Es kam ihm auf die Headline an, wohlwissend, dass die Mehrheit nicht mehr weiter liest, was denn tatsächlich dahinter steckt. Und wie auch immer: zunächst mal ist das nur Gerede, das die anstehenden Wahlergebnisse pimpen sollte. Was dabei in der Realität herauskommt, kennt man aus der langen Geschichte der Wahllügen der cdU.

  • Deutschland krankt nicht an zu wenigen Steuereinnahmen, Deutschland krankt an der Ineffizienz seiner Verwaltung !



    Wenn, wie beim Bürgergeld, 60 % der aufgewendeten Summe in der Verwaltung verschwinden muss man doch da regulieren anstatt immer mehr Geld zu fordern. Bürokratieabbau, Digitalisierung, Einsatz von KI, alle Regelungen bis auf einzelne, relevante streichen, wir müssen erstmal alle (sinnlosen) Löcher stopfen anstatt an einem ruinösen System fest zu halten.

    • @Günter Witte:

      Ja, aber das ist das Ergebnis der Hetze gegen diese Gruppen. Als meine Mutter ins Pflegeheim musste, war mein Vater ruckzuck ein Sozialhilfefall. Und der Sachbearbeiter auf dem Amt hat seeeehhhhr viel Aufwand reingesteckt, noch 40€ Überweisungen meines Vaters zu kontrollieren.

      Es ist politischer Wille, die Ärmsten zu knechten und zu malträtieren. Es kommt dem Staat da nicht auf Sinn, Verstand und die Frage an, ob der Aufwand im Verhältnis zu Ergebnis steht. mal abgesehen davon, dass die 40€ natürlich völlig rechtens waren.

  • In Schweden zahlt man keine Erbschaftssteuer. Der schwedische Sozialstaat funktioniert in der Regel besser als der deutsche Sozialstaat. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden liegt nicht in der Steuer, sondern in der Effizienz. In Schweden wird eine relativ klare, eindeutige Einkommensteuer bis zu 57 % erhoben, alle zahlen in das gleiche soziale Sicherungssystem, ein, auch relativ transparent und einfach. Die Schweden haben vor 30 Jahren eine entsprechende Reform gemacht, und in Deutschland hat die Politik Angst davor, die eigenen Verfahren so zu vereinfachen und sich auf wenige Geldquellen klar zu konzentrieren. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer trifft ja nicht die ganz Reichen. Sie trifft in der Regel den Mittelstand, der keine Möglichkeit hat, das Betriebsvermögen in einer ausländische Stiftung oder Ähnliches zu übertragen. Der Elektriker mit den fünf oder zehn Mitarbeitern wird von der Erhöhung der Erbschaftssteuer getroffen, nicht der Großunternehmer. Man kann das sehr gut in Frankreich beobachten, die eine hohe Erbschaftssteuer haben. Es gibt sehr reiche Franzosen und die große Mehrheit der Franzosen erbt nichts. Oder wenig. Der industrielle Mittelstand fehlt.

  • Macht nur. Die AfD frohlockt mal wieder.

  • Natürlich wäre eine Vermögenssteuer - und auch eine Behörde gegen Steuerhinterziehung - endlich mal vernünftig. Aber dagegen hat CDU-Merz bestimmt etwas einzuwenden, und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und alle anderen 'Vereine der Reichen' (INSM etc.) "warnen" ja auch ständig davor. Und so lange Donald Trump in den USA das Sagen hat und die Welt vor dem Geschäftsmann kuscht, wird auch sein deutscher "Black-Rock-Statthalter" weiterhin die Armen ärmer machen und die Reichen noch reicher.

    Eine Vermögenssteuer wird es mit der CDU/CSU/SPD nicht geben, denn diese drei Parteien möchten den Reichen NICHT ans Portemonnaie. Da holt man sich das fehlende Geld lieber wieder von den Ärmsten der Armen und lässt den Reichen ihre klimaschädlichen Privatjets und Yachten.

    **Seit 1997 wird in Deutschland keine Vermögenssteuer mehr erhoben. Würde sie wieder eingeführt, könnten jährlich über 20 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen fließen. [...] Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 hat die Vermögenssteuer seinerzeit keinesfalls an sich für verfassungswidrig erklärt.** [Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Ver.di, 2024]

  • Ein geschickter move der neoliberal-rechten 'Mitte' um dem beabsichtigten sozialen Kahlschlag am 'unteren' Drittel der Gesellschaft zu mehr Akzeptanz in der 'Mitte' zu verhelfen und so den 'sozialen Frieden' auch in Zeiten der Schaffung von mehr Obdachlosigkeit, mehr Heizarmut, mehr Mobilitätsarmut, mehr Bildungsarmut und mehr Nahrungsarmut zu erhalten.



    In der 'Zeitenwende' werden wir wohl in britische und US-amerikanische (anti-)soziale Verhältnisse rutschen.



    'Die da oben' profitieren, die Schwaz/Grüne 'Mitte' macht's mit, und die Gelackmeierten wählen dann eh AfD.



    Fazit: läuft ...

  • Ich verstehe einfach nicht, warum dieses Thema überhaupt noch diskussionswürdig ist dieser Tage. Steuerschlupflöcher schliessen, Vermögenssteuer reaktivieren, Erbschaftsteuer einführen. Fertig! Anders wird es langfristig nicht gehen. Irgendwann wird das auch der letzte Öhi das erkennen (müssen). Sozialer Friede und so, wissenschon.

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      Was ist ein " Öhi"?